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Ein ganz, ganz "cooles" Konzert

09.11.2015 Von Petra Hackert

Gleich zwei Mal feierten die Bad Camberger „Coolen“ am Wochenende im Kurhaus ihren 25. Geburtstag – stimmgewaltig, mit Esprit und, wie könnte es anders sein, mit sehr viel Spaß. Das proppenvolle Kurhaus bei der Premiere am Samstagabend zeigt, dass das vielen schon bewusst ist – weshalb sie immer wieder sehr gerne kommen.

Bad Camberg. 

Sie wollen ihre Vergangenheit Revue passieren lassen – mit Stil. Genau das ist’s. In dem Moment, in dem die Motorsäge (eine Stihl) auf der Kurhaus-Bühne dröhnt, muss auch dem letzten der 500 Besucher im prallvollen Kurhaus klar sein: Hier kommt etwas Besonderes. Dass „Die Coolen“ im „GV 1846“ einmalig sind, ist allen klar, sonst wären sie nicht gekommen. Und so warten sie gespannt auf den Beginn der Revue, die Reise in die Vergangenheit mit viel Witz, Pep, Erinnerungen – und nicht zuletzt sehr, sehr guter Musik.

So war es früher

Das kennzeichnet die „Coolen“ mit ihrem Chorleiter Ulrich Diehl: Sie sind mit enormem Körpereinsatz bei der Sache. Da wird mit dem Finger im Mund gerührt, um beim Singen den Klang zu verändern – nur eine Reminiszenz an die Vergangenheit, denn so haben sie schon vor einigen Jahren gesungen. Da werden die Hände gerieben, mit dem Fingern geschnippt, abschnittsweise auf der Bühne gesprungen – die neun Frauen und acht Männer (denn der Chorleiter singt auch schon einmal selbst mit) werden zu einer Einheit, die der Musik hörbar und sichtbar Ausdruck verleiht. Der ganze Körper ist das Instrument, und so ist es nicht verwunderlich, dass sie auf der Bühne im Handumdrehen ein großes Orchester ersetzen.

Das liegt auch an der Liedauswahl, und die hat sich stark verändert. Mittelalter-Choräle können sie auch – kurz angerissen aus der „Mottenkiste“, die sie natürlich auch sichtbar auf der Bühne haben. Das war eine gute Zeit, doch sie haben noch mehr ausprobiert. A-cappella-Songs in verschiedenen Sprachen, „Je ne l’ose dire“, mit dem sie in der Bad Camberger Partnerstadt Chambray-lès-Tours aufhorchen ließen, fast schlicht anmutende mehrstimmige Sätze sind dabei, Witziges Deutschsprachiges wie „Guck mal, so schöne Leute“ – alles nur kurz rückgeblendet, denn sie haben ihr Repertoire erheblich erweitert. Das muss so sein zum Geburtstag. Und so werden die neun Frauen zum Solo-Chor, der girliehaft über die Bühne springt und beim „Shoop Shoop Song“ verrät, woran der Richtige zu erkennen ist. Klar: „It’s in his kiss!“ Die „coolen“ Männer können das auch – ein Solo-Chor sein, und so wird Herbert Grönemeyers „Alkohol“ ganz stark intoniert. Das greift auch Holger Lenz auf, der gemeinsam mit Bruno Peuser „auf nordische Art“ durchs Programm führt. Das heißt: Sie haben sich „eingenordet“, und da gewinnt der kleine Stammtisch auf der Bühne und die Mini-Witze, bei denen man wirklich auf jedes Wort achten muss, neue Bedeutung.

Dass die „Coolen“ allesamt sehr gute Sänger sind, zeigt sich nicht nur im Wechsel der Solisten oder im Starlight-Express-Song, den Nadine Orians und Holger Lenz zum Dahinschmelzen schön auf die Bühne bringen. Nein, eigentlich ist das fast schon zu viel, und so wird der Herz-Schmerz mit dem nächsten Schmunzelbeitrag ganz schnell beiseite gewischt.

Die Spannung steigt. Im zweiten Teil des Abends soll nämlich ein Stargast kommen. Aus dem Dunkel der Nacht tritt sie wie der Phoenix ins Licht: Conchita Wurst. Niemand anderes als Holger Lenz hätte das wohl so umsetzen können. Sogar, als er noch in vollem Kostüm wieder zum Teil des Chors wird, sieht es jeder: Wie betont beiläufig er eine Haarsträhne zurück-streicht, einen kecken Blick ins Publikum wirft – an diesem Tenor ist ein Schauspieler verloren gegangen. Sein komisches Talent lebt er gemeinsam mit Bruno Peuser aus, der natürlich sofort zu Hilfe eilt, als „Frau Wurst“ mit ihren sehr, sehr hohen Plateauschuhen (Hut ab!) auf die Bühne stürzt. Wörtlich. Dramatik, Spannung, ein Beben geht durch den Raum, Peuser hebt das weiße Tuch, mit dem er gerade ihr Bein berührt hat. Wie schlimm: Blutwurst!

Lachen und Stille

Mehr als einmal geht ein herzhaftes Lachen durch den Saal, und mehr als einmal ist es ganz, ganz still, wenn der Chor als Ganzes aufdreht. „The Voice“ von John Farnham wird zum Erlebnis, „Somebody to love“ lässt mitrocken. Überhaupt: Die stark instrumentalisierten Hits von „Queen“, die eindeutig Musical-Charakter haben, werden in der A-cappella-Version dieses großen Ensembles extrem hörenswert. Da kommt Gänsehaut auf.

Schade, dass dadurch die deutschsprachigen Lieder etwas ins Hintertreffen geraten, aber man kann nicht alles machen. Selbst ein dreistündiges Konzert hat irgendwann den maximalen Rahmen erreicht. So genießt das Publikum die neuen Songs im „coolen“ Repertoire, freut sich, als ein alter erklingt: John Miles’ „Music“. Sie haben es schon wieder verändert, füllen noch mehr den Raum mit den Klängen, die die reine Hymne an die Musik bedeuten.

Das könnte der absolute Höhepunkt und Schlussakkord sein, doch das Klatschen nimmt kein Ende. Natürlich. So ist mit „The Lion sleeps tonight“ noch einmal Schmunzeln angesagt, bevor es nach Queens „Under pressure“ wieder witzig heißt: „Wer hat an der Uhr gedreht?“ Die „Coolen“ behalten es selbst in der Hand, ihr Konzert zu beenden, haben das Finale nicht durch unnötige Abgänge und Wieder-Herbeiklatschen künstlich verlängert und reinste Musik vom Feinsten geboten. Schlichtweg genial!