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"Coole" Songs heiß serviert

Der „etwas zu groß geratene A-cappella-Chor“ dreht richtig auf

22 Jahre "Die Coolen" – Grund genug, wieder einmal ein großes Konzert zu geben. Und weil der Chor so viele Fans hat, trat er gleich zweimal im prall gefüllten Kurhaus auf. Ein Genuss!

Bad Camberg. Im Kamin knistert das Feuer. Auf dem Sims steht ein Foto von den "Coolen". Ein gemütlicher Lehnsessel wird in sanftes Licht getaucht. Ein Mann nimmt Platz. Ulrich Diehl. Er hat verdient, es sich gemütlich zu machen. Schließlich leitet er nun seit zehn Jahren den "etwas zu groß geratenen A-cappella-Chor", wie sich die "Coolen" selbst gerne nennen. Und das ist nicht einfach. Dies werden die Besucher im prall gefüllten Bürgerhaus noch erfahren. Herrlich überspitzt schlüpfen Holger Lenz und Bruno Peuser in die Rollen von "Max und Moritz". Diese beiden mochten Disziplin nicht leiden . . . und so erzählen sie von den vielen kleinen Tücken im Dirigentenalltag, die aber so schlimm gar nicht sein können. Denn: Ulrich Diehl, der oft genug als einer von 18 "Coolen" Sängern mit auf der Bühne steht, sieht immer dann am gelöstesten und entspanntesten aus, wenn die Musik ihren Höhepunkt erreicht. Jedes Lied hat seine Eigenarten, und wer diese Verbindung von gesanglicher Perfektion und Spaß auf der Bühne sieht, der weiß: Die "Coolen" und ihr Chorleiter sind ein herrliches Team.

Gemeinsam unschlagbar

Neun Frauen, neun Männer – das ist der Chor. Jeder Einzelne könnte als Solist auftreten. Gemeinsam sind sie unschlagbar. Das wissen so viele von den "Coolen", dass die Karten für die beiden Konzerte am Wochenende rasch verkauft waren. Zweimal volles Kurhaus – selten gibt es eine Veranstaltung mit heimischen Künstlern, die dies von sich behaupten kann. Wenn Holger Lenz dann noch in die Rolle des Profi-Moderators schlüpft und dem Publikum charmant offenbart: "Wir kommen immer wieder gerne nach Bad Camberg", dann wissen alle die Ironie zu schätzen. Und außerdem: Es ist nicht gelogen. Der Auftakt: "Wir wollen poppen", singt der Chor ein wenig süffisant vom Trend zur Popmusik, die nicht immer ebenso schön wie cool ist. Aber es gibt so viele gute Titel, und die kommen Schlag auf Schlag. Diesmal überwiegen die englischsprachigen Beiträge, aber schon das zweite Lied "Erbarmen – zu spät, die Coolen kommen" stimmt auf einen sprachlichen Mix ein, der Freude macht. Das anschließende Fest beginnt mit "Celebration" von "Kool and the Gang", dann folgen viele muntere Einlagen mit flotten Wechseln, bei der sich die Positionen der einzelnen Sänger im Chor auf der Bühne immer wieder ändern. Das macht das Ganze noch viel lebendiger. "Kommt ein Wölkchen angeflogen" – das Sandmännchen weckt glatt Jugenderinnerungen. Samtweich vorgetragen mündet das Lied in "Mr. Sandman". Die vier "Adoros", die "coolen Tenöre" Markus Bierod, Holger Lenz, Stefan Mack und Peter Haupt brillieren mit "Take on me", später folgen sechs Sängerinnen mit einer Kombination von fünf Titeln, die plötzlich zusammenpassen. Helga Goretzko, Julia Schlösser, Isabel Kosslers, Marion Moog, Martina Mehlhorn und Janine Jaik-Rosam schaffen diese Glanzleistung: Da wird "Love Story" gleichzeitig mit "Killing me softly" und "I will survive" gesungen, und alles klingt gemeinsam harmonisch. Der Chor probiert viel aus, setzt bei "Nothing else matters" sogar ein Schlagzeug ein.

Perfekt durchkomponiert

Überhaupt: Perfekt durchkomponierte Rocksongs liegen dem Chor. Das wird bei einigen Titeln von "Queen" deutlich. Wenn die Solisten richtig aufdrehen und der restliche Chor die instrumentale Begleitung mit dem Mundwerk liefert, spätestens dann merkt das Publikum, wie schön es ist, einen so großen und variationsreichen A-cappella-Chor vor sich zu haben. Ganz abgesehen vom Witz, den die szenische Umsetzung von Barry Manilows "Copacabana" oder die Gegenüberstellungen von Titeln wie "Männer sind Schweine" und "Frauen …", der Antwort der Erlanger Fun-Metal-Band J.B.O. auf Herbert Grönemeyers "Männer" mit sich bringen. "King of the road" – auch hiervon gibt es eine deutsche Version, und ganz schnell schnippen alle im Kurhaus zum richtigen Zeitpunkt mit den Fingern.

"Gott weiß, ich will kein Engel sein" – die "coole" Version des Rammstein-Hits könnte der krönende Abschluss des Abends werden, wäre da nicht John Miles' "Music", die Hymne an die Musik, die den "Coolen" so sehr liegt. Dann, natürlich, als letzte Zugabe "The lion sleeps tonight" – das muss sein, und der Ohrwurm wird jedem Konzertbesucher noch etwas länger im Kopf bleiben. Schöööön!

Artikel vom 13. November 2012


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